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Wie Lob Kinder beeinflusst: Zwischen Bindung und Authentizität

Mirjam Heini

Die Wirkung von Lob auf Kinder

Lob wird oft als ein einfaches Mittel gesehen, um Kinder zu motivieren und ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Doch was passiert mit den Eigenschaften, die selten gelobt werden – wie Rebellion, Fehler machen oder laut und wild sein? Könnte Lob am Ende mehr schaden als nützen?


Warum loben wir?

Loben ist ein weit verbreitetes Instrument in der Kindererziehung. Eltern und Bezugspersonen loben oft mit der besten Absicht, um Kinder zu motivieren, ihr Selbstwertgefühl zu stärken und positive Verhaltensweisen zu fördern. Besonders Kinder mit geringem Selbstwert, die eher ruhig, schüchtern, ängstlich, unausgeglichen oder chaotisch wirken, werden oft gelobt.

Doch was passiert, wenn wir es mit dem Loben übertreiben oder unbewusst falsch einsetzen?

„Unbewusst falsch einsetzen“ bedeutet, dass Lob oft automatisch und ohne Reflektion gegeben wird – etwa für Dinge, die das Kind aus eigenem Antrieb tut, oder in einer Weise, die ungewollt Druck ausübt, einer bestimmten Rolle zu entsprechen. Es geschieht aus besten Absichten, kann jedoch unbeabsichtigt schaden, da es die Entwicklung des Kindes negativ beeinflussen kann.


Warum Kinder Bindung und Authentizität brauchen

Jeder Mensch hat von Geburt an zwei psychologische Grundbedürfnisse: Bindung und Authentizität.

Bindung ist das lebenswichtige Bedürfnis nach Verbindung, Nähe und Schutz. Besonders in der Kindheit ist Bindung essenziell, da wir ohne die Zuwendung unserer Bezugspersonen nicht überleben können. Doch nicht nur kleine Kinder sind auf Bindung angewiesen. Bis ins Erwachsenenalter bleiben Menschen in ihrer Entwicklung abhängig von der elterlichen Bindung. Diese Bindung gibt Stabilität und Sicherheit, die es ermöglicht, eigenständig zu werden.

Authentizität bedeutet, mit den eigenen Gefühlen, Gedanken und Instinkten in Kontakt zu sein. Diese innere Verbindung hilft uns, sicher und selbstbewusst durch die Welt zu gehen. Authentizität kann jedoch erst aktiv werden, wenn das Bedürfnis nach Bindung gestillt ist.

Wenn diese beiden Grundbedürfnisse in Balance sind, können Kinder sich sicher und selbstbewusst entwickeln. Doch Lob kann diese Balance unbemerkt stören.


Konflikt von Lob, Bindung und Authentizität

Lob, wie es häufig verwendet wird, kann subtil Bedingungen für Bindung und Akzeptanz schaffen. Kinder gewinnen oft den Eindruck, dass sie nur dann geliebt und akzeptiert sind, wenn sie den Erwartungen der Eltern entsprechen.


Die Auswirkungen von Lob

  1. Abhängigkeit von äußerer Bestätigung Kinder, die häufig gelobt werden, könnten lernen, ihr Verhalten nicht aus innerer Überzeugung zu steuern, sondern um Lob zu erhalten. Sie versuchen, Erwartungen zu erfüllen, und verlieren dabei den Zugang zu ihrem authentischen Selbst.

  2. Einschränkung der Bedingungslosigkeit Kinder spüren, dass Liebe an Bedingungen geknüpft ist. Sie trennen sich von Persönlichkeitsanteilen, die nicht gelobt werden, und verlieren die Akzeptanz für ihre ganze Person.

  3. Negative Auswirkungen auf die Resilienz Wenn Kinder nicht lernen, Fehler oder negative Gefühle anzunehmen, fehlt ihnen später die innere Stabilität und Widerstandsfähigkeit.


Alternative zum klassischen Lob

Wie können wir Kinder anders bestärken?

  • Freude teilen Lächeln, zurückwinken, sich von Herzen mitfreuen – wenn das Kind beispielsweise von einem hohen Spielturm winkt, einfach zurückwinken und lächeln, statt zu sagen: „Wow, bist du hoch oben!“ Oder das Kind zeigt dir eine Zeichnung, du könntest sagen: „Das sieht nach Spaß aus, was du da gemacht hast!“

  • Nicht bewerten Wenn das Kind schon Lob einfordert, weil es sich daran gewöhnt hat, können Eltern fragen: „Wie findest du es selbst?“ Die Zeichnung oder das Bauwerk muss ja dem Kind gefallen.

  • Emotionen annehmen Kinder darin unterstützen, alle Gefühle – Wut, Trauer, Frustration – anzunehmen und auszudrücken, ohne sie zu verurteilen. Etwa: „Du bist gerade richtig enttäuscht, passende Mimik dazu machen."


Fazit

Eltern wissen, dass Kinder bedingungslose Akzeptanz suchen, genauso wie wir Erwachsene es tun. Doch häufig ist ihnen nicht bewusst, dass Lob diese Balance stören und langfristig in Schieflage bringen kann.

Wenn wir Lob bewusster einsetzen und den Fokus auf bedingungslose Akzeptanz legen, können wir Kinder unterstützen, sich selbst in ihrer Ganzheit zu erleben – mit all ihren Stärken, Schwächen und Gefühlen. So schaffen wir die Grundlage für eine gesunde Balance zwischen Bindung und Authentizität.

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